3. Oktober 2011

Dance Dance Revolution

Wie kein anderes Land auf deutschem Boden wusste die DDR um die Gefahren und die Gelegenheiten des Pop und versuchte, diese zu Nutzen. Während die Nazis bloß versuchten, mit propagandistischer Totalversorgung um sich werfen, hatte die Regierung des "Arbeiter- und Bauernsalates" (Wiglaf Droste) mehr Zeit, mit dem Pop zu taktieren. Zu Beginn hatte man noch versucht, mit simplen Auftrittsverboten den westlich-orientierten Populärmusikkapellen Herr zu werden. Die Erschaffung des AMIGA-Plattenlabels (heute Sony Music Entertainment) war der zweite Schritt. Und mit dem ersten Auftauchen von DJs gab es DJ-Eignungsprüfungen unter der Maxime: Je Linientreuer, desto mehr Geld gab es. Der spannendste Versuch der DDR-Regierung, dem westlichen Pop entgegenzutreten, war jedoch der „Lipsi“. Als Ende der 50er der Twist in West und Ost die Runde machte, wurmte das die Staatsführung sehr. Einerseits galt der Tanz als recht obszön und zweitens wurde er eben zu amerikanischer Rock'n'Roll-Musik getanzt. Also ließen Walter und seine Spießgesellen von René Dubianski und Christa und Helmut Seifert den Lipsi (von lipsiens, "der Leipziger") entwickeln. Ein staatlich verordneter Tanz. Natürlich war der Lipsi von der DDR weltweit(!) zum Patent angemeldet worden. Man hoffte wohl auf Devisen, wenn der Spaß ein Hit wird. Mit massivem Aufwand versuchte man den Tanz zum Renner zu machen - und scheiterte. Die Jugend hatte sich längst in den Rock'n'Roll verguckt. Das Fernsehen war voll mit Lipsi-Wettbewerben und man ließ die besten Lipsi-Bands und Tänzer auftreten. Die Jugend stand davor und skandierte "Wir tanzen keinen Lipsi und nicht nach Alo Koll, wir sind für Bill Haley und tanzen Rock 'n' Roll." Die populäre Rache der DDR bestand dann darin, dass man Peter Maffay günstig die Rechte an "Über Sieben Brücken musst du gehn" andrehte.

Foto:  Eugen Nosko/Deutsche Fotothek CC-BY-SA-3.0